Freitag, 12. August 2005

Gepäckschaden

Wie verdammt soll ich all meine Sachen nach London mitnehmen, wenn diese billige Billigfluglinie Ryanair nur 15 kg pro Person erlauben und zusätzlich 10 kg Handgepäck, aber auch nur in ganz bestimmten Abmessungen? Eine gefüllte Sporttasche kann ich da wohl schlecht mit in den Flieger nehmen!

Ja, ich rege mich auf. Kennt denn jemand eine preisgünstige Lösung für mein Problem? Soll ich Pakete packen und diese dann verschicken? Mit DHL oder mit UPS? Oder gar mit einem anderen Anbieter? Wenn ja, was kostest denn so etwas? Oder fährt zufällig ein Leser (m/w) demnächst mit einem Lastwagen Richtung London und nimmt ein paar Kartons mit Anziehsachen für mich mit? In der Ryanair-Maschine ist ja kein Platz...

Moment: Maschine?! Ich erinnere mich spontan an den Text "Okay Mutter, ich nehme die Mittagsmaschine" von Max Goldt aus dem Jahr 1994 und werde, ohne den Autor um Genehmigung gefragt zu haben, einen Auszug veröffentlichen (kein einziger mir bekannter Text von Max Goldt hatte je etwas mit dem Titel zu tun, also bitte nicht wundern, warum es überhaupt nicht um Mittagsmaschinen geht. Die werden erst im Schlussteil erwähnt.):
  • Besonders schwer zu spielen: Klavierkonzerte von Rachmaninow. Besonders schwer zu spülen: Schneebesen mit eingetrockneten Vanillesoße-Resten. Besonders schwer zu sagen: ob dies ein guter Anfang für einen Aufsatz ist, in dem es unter anderem um Obdachlosenzeitung geht. Leuten, die in Gegenden wohnen, wo sich unter den Fenstern die Ferkelchen suhlen, wird man erklären müssen, was das ist, eine Obdachlosenzeitung.
    Also, eine Obdachlosenzeitung ist, wenn da so Obdachlose sind, und die machen irgendwie eine Zeitung, die sie für zwei Mark in der U-Bahn verkaufen. Eine Mark ist für den Verkäufer, und die andere geht an den Hersteller des Blatts. Letztes Jahr gab’s das in England und Frankreich, und sie einiger Zeit gibt’s das auch hier. Da ich dem Gedanken der Eigeninitiative nahe stehe, kaufe ich die Druckerzeugnisse immer. Wie lange ich sie mir weiterhin kaufen werde, weiß ich nicht, denn wenn da immer nur drinsteht, dass es nicht schön ist, obdachlos zu sein, dann welkt auch des Gutwilligen Interesse dahin. In der Ausgabe Nr. 5 der „platte“ war allerdings ein Interview mit der brandenburgischen Starministerin Rgine Hildebrandt, die in ihrem Bundesland so beliebt ist wie Elvis Presley, gutes Wetter, Harald Juhnke und Nutella zusammen. Chic, achte ich, das lese ich, die Obdachlosen werden sicher so bohrend fragen, dass die Ministerin knallharte Konzepte vom Stapel lässt. Doch was wurde Frau Hildebrandt gefragt? Folgendes: „Gehen Sie gerne ins Kino?“, „Schauen sie gerne Liebesfilme an?“, „Haben Sie einen Lieblingsschauspieler?“ etc. Man erfährt, dass der Bruder der Ministerin früher Waldhornist im Opernorchester Meiningen war und dass er just dort, also in Meiningen, auch seine Frau kennengelernt hat. Regine Hildebrandt geht gern ins Museum, findet „Schindlers Liste“ gut, hört gern Elton John, und Sexfilmchen mag Sie gar nicht. Wer hätte das gedacht? Die meisten werden ja bis dato davon ausgegangen sein, dass Regine Hildebrandt von früh bis spät Sexfilmchen guckt. Immerhin, auf diee Frage „Wie ist Ihre Meinung zur Obdachlosigkeit?“, antwortet sie: „Ich kann Obdachlosigkeit in keinster Weise akzeptieren.“ Ich frage mich, warum mich der Inhalt dieses Interviews so bass erstaunt. Dachte ich, dass das Interesse an „normalen Dingen“ schlagartig erstirbt, wenn man obdachlos wird? Vielleicht dachte ich das. Aber die Normalität bleibt wohl auch in Extremsituationen immer erhalten. Auch in der Nazizeit war zwölfmal Spargelzeit.
    Möglich ist, dass man bald Obdachlosenfernsehen sieht und Obdachlosenradio hört. Da es viele Leute gibt, die den Satz „In Amerika gibt es das schon“ gut finden, lass ich hier etwas Platz, auf den diese Menschen mit Kuli „In Amerika gibt es das schon“ schreiben können.
    [Im Buch ist hier jetzt ernsthaft ein leeres Feld, Anm. d. Blogschreibers]
    Man kann natürlich auch etwas ganz anderes in die Lücke schreiben, z.B. „Wolf-Dietrich-Schnurre-Fanclub ist ein schlechter Name für eine Death-Metal-Gruppe“ oder „Wenn man eine junge Dame zu einem Candel-Light-Dinner in ein Romantic-Hotel einlädt, wird man wahrscheinlich etwas anderes als Eisbein bestellen. Tja, dieser Text ist jetzt interaktiv. Schön ist das nicht, aber man kann den Zeitläufen nicht ewiglich trotzen. Doch ich sprach vom Obdachlosenradio. Ich würde wohlwollend lauschen. Ich würde jedem Sender lauschen, der anders ist als die 24, die ich im Kabel habe. Ich möchte einen Radiosender, der den ganzen Tag neue und interessante Musik spielt. Die Moderatoren sollen jedes Stück ordentlich an- und absagen. Nur dies sei ihre Verantwortung.
Aus dem Buch "Die Kugeln in unseren Köpfen", welches sämtliche „Titanic"-Beiträge aus den Jahren 1993 und 1994 enthält. Kann man, wenn man will, hier kaufen. Ich kriege keine Provision.

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